Amazon Unlimited
Da haben wir den Salat – Amazon hat seine eBook-Flatrate auch in Deutschland gestartet. Damit bewahrheiten sich die schlimmsten Befürchtungen der Amazon-Kritiker. Der Himmel stürzt ein und begräbt das Kulturgut Buch unter sich, Schriftsteller werden augenblicklich vom Schlag getroffen und Verlage melden binnen einer Woche Konkurs an.
So zumindest könnte man meinen, wenn man derzeit das Wehklagen hört. Wohin man auch schaut, der Feind Amazon lauert an jeder Ecke.
Fast fühle ich mich in die Neunziger zurückversetzt. Nur, dass der Feind damals Microsoft hieß.
Auch ihm wurde der Untergang des Abendlandes angelastet, die Erde bebte und hätte man Microsoft nicht dazu verurteilt, dem User ein Wahlfeld für den Browser auf den Desktop zu legen, die Erde wäre längst in einer einzigen, gewaltigen Feuersbrunst vergangen.
Der Aufschrei hallte schon durch das deutsche Internet, bevor auch nur ein Kritiker einen Blick auf Unlimited geworfen hatte. Wobei echte Kritiker das Angebot ohnehin gar nicht aufrufen. Man belässt es bei Klagelauten und Unkenrufen.
Dabei ist Amazon Unlimited weder neu noch einzigartig. Schon vor einigen Jahren startete Skoobe seine eBook-Flatrate und hat aktuell nahezu alle großen Verlage unter Vertrag. Gegen eine monatliche Zahlung kann man unbegrenzt viele Bücher lesen; je nach gewähltem Paket überwiegend online oder auch offline.
Und auch readfy ist inzwischen angetreten, das Kulturgut (e)Buch einer breiten Leserschaft zugänglich zu machen; und das sogar kostenlos. Denn deren Angebot wird über Werbung finanziert und stet somit auch jenen zur Verfügung, die sich keinen monatlichen Betrag leisten können oder wollen.
Die deutsche Onleihe, eine eBook-Ausleihe über die örtliche Bibliothek, gibt es indes noch länger. Auch können User aus unzähligen Büchern wählen.
Das, was Amazon tut, ist also weder sonderlich neu noch sonderlich innovativ. Andere haben es in Deutschland früher realisiert und bieten ein breiteres Programm.
Denn dieses ist bei Amazon nicht so ausgeprägt, wie man es erwarten könnte. Zwar wirbt Amazon mit den Harry Potter-Romane, hat aber sonst im Hinblick auf die großen Verlage wenig zu bieten. Wie bei Readfy findet man überwiegend kleinere Verlage im Sortiment.
Möchte man als Verlag oder Autor an diesem Programm teilnehmen, muss man sein Buch zudem im Exklusiv-Programm von Amazon anmelden – es darf bei keinem anderen Anbieter zum Verkauf stehen. Ich gehe davon aus, dass diese Regel nicht für große Verlage gilt, denn diese werden sich kaum auf einen exklusiven Deal einlassen. Ohne die großen Verlage jedoch wird Unlimited kein Erfolg. Für kleine Anbieter jedoch gilt die Regel. Zwar verspricht das Exklusiv-Programm zusätzliche Einnahmen durch spezielle Ausschüttungen. Ob diese jedoch so hoch sind, wie die Erlöse durch andere Portale und Shops, vermag ich nicht zu sagen. Bisher erschien keines meiner Bücher als Exklusiv-Titel, auch wenn sich dies in naher Zukunft ändern wird.
Aber dazu an anderer Stelle mehr.
Wir sehen also, dass Amazon mit Unlimited am Anfang steht und weder der erste Flatrate-Anbieter ist, noch jener mit dem besten Angebot.
Natürlich ist es richtig, dass Amazon enorm viele Kunden hat und theoretisch über ein enormes Potential verfügt, was eBooks anbelangt. Wo hier jedoch eine Gefahr für das Kulturgut lauern soll, sehe ich nicht.
Dazu müsste Amazon die Mitbewerber entweder aufkaufen oder aus dem Markt drängen. Und letzteres ist schwierig! Unlimited ist nicht in Prime enthalten, Kunden müssen monatlich fast zehn Euro zahlen. Und dies für ein sehr eingeschränktes Angebot, von dem sie mit Prime ohnehin einen Teil kostenfrei lesen können.
Skoobe bietet zum gleichen Preis sehr viel mehr hochklassige Auswahl, es ist länger auf dem Markt und sehr bekannt. Readfy hingegen kostet die User gar nichts, sie müssen nur Werbung in Kauf nehmen.
Beides sind Punkte, die ihnen einen klaren Vorteil verschaffen und gegen die Amazon erst einmal ankämpfen muss. Kunden wandern schließlich nicht einfach so ab; zumindest nicht dauerhaft!
Hinzu kommt, dass die großen Verlage zwar auch bei Amazon erscheinen werden, wie ich vermute. Ich glaube jedoch nicht, dass sie ihre Verträge mit Skoobe oder Readfy auflösen, um dort exklusiv zu sein.
Letztlich läuft es wohl darauf hinaus, dass ein Anbieter mehr seine eBook-Ausleihe mit Flatrate-Modell in Deutschland anbietet. Und eine solche Vielfalt fördert das Kulturgut, es schadet ihm nicht.
Natürlich mag es sein, dass ich in einem Jahr diese Worte bereue, weil eben doch die Verlage samt und sonders ihre Verträge bei Skoobe gestrichen haben. Möglich dass Amazon in Deutschland derart mächtig ist, dass es alle Mitbewerber auslöscht.
Aber just in dem Moment, da ich dies schreibe, sehe ich noch keinen Grund, das Armageddon der Buchbranche herbeizureden.
Warten wir also ab, was geschieht. Es sind spanende Zeiten für eBooks angebrochen, und diese sollten wir begrüßen, nicht verdammen.