Die "bösen" Vier?
Meine erste Spielekonsole war ein “Telespiel” – eine Pong-Variante mit fünf fest programmierten Unterarten. Diese wurden über einen Schieberegler gewählt; Kassetten gab es noch keine.
Auf dieses Gerät folgten Atari-Artige Konsolen, ehe ich zu den Computern wechselte.
Der Commodore C16 machte den Anfang. Ihm folgte ein Commodore +4, der Commodore C64 und schließlich ein Atari STE 1024, ehe ich mit einem 386 DX zu den PCs wechselte.
Dort erlebte ich MS-DOS sowie die verschiedenen Windows-Varianten, erkundete irgendwann Linux und stieg mit meiner Frau in die Mac-Welt ein.
Das Internet entdeckte ich Beginn des AOL-Dienstes in Deutschland und war seitdem nicht mehr offline.
Mobil erlebte ich den Aufstieg der Handys und den Übergang zu Smartphones mit.
Man kann sagen, dass ich der Entwicklung des Informationszeitalters einen nicht unerheblichen Teil meines Lebens beiwohnte und noch beiwohne, ihn beruflich begleitete und in vielen Punkten tief in der Materie stecke.
Gerade daher finde ich es Putzig, wie sehr sich die Dinge ähneln.
Einst, als ich noch Jung war an Jahren, war IBM der Feind aller friedliebenden User. Schließlich gaben sie den Standard vor. Und sie konnten nach Gutdünken schalten und walten.
Irgendwann diente IBM nicht mehr zum Feind, denn den Massenmarkt bestimmten längst andere.
Also schoss man sich auf Microsoft ein. Nun waren sie die Bösen, die es zu hassen galt. Weil sie den Markt dominierten und die Konkurrenz verdrängten.
Viele Jahre ging das so. Netscape, Mozilla und Open Office – das waren die Guten. Die Offenen.
Microsoft, das war pfui.
Aber auch Microsoft hat inzwischen ausgedient, wird nur noch am Rande argwöhnisch beäugt.
Ersetzt wurde es im Internet-Zeitalter von vier Unternehmen, die nun die Achse des Bösen bilden: Google, Apple, Facebook und Amazon.
Datenklau und Zensur, verbunden mit Dominanz. Das ist es, was diese “Big Four” ausmacht.
Nun sind sie es, die es zu hassen gilt.
Dabei gibt es jedem dieser Unternehmen Alternativen. Kein Mensch wird gezwungen, Google zu nutzen, bei Amazon zu kaufen oder sich ein iPad zuzulegen, um sich dann über zensierte Cover aufzuregen.
Besonders bemerkenswert ist es, wenn mir jemand bei Facebook erklärt, dass Apple ja eine solch schreckliche Firma sei, weil dort die Daten …
Oh ja, ist klar. Und dann am besten noch eine Gmail-Adresse als Kontaktmöglichkeit.
Wenn einem nicht gefällt, was die “Big Four” tun, dann sollte man sie nicht nutzen; fertig. Es ist ja nicht so, als würde einen jemand mit der Pistole bedrohen und zwingen, seine Bücher bei Amazon zu bestellen.
In diesem Zusammenhang verstehe ich auch nicht den Vorwurf der ZEIT vom 2. August. In einem Artikel gehen sie darauf ein, dass Amazon das “Schwarzbuch WWF” in vorauseilendem Gehorsam aus dem Programm nahmen, als es nach Rechtsstreit zwischen Verlag und WWF roch.
Die ZEIT schreibt
Oder Amazon: nahm Anfang Juni das Schwarzbuch WWF vorübergehend aus dem Programm. Der Autor Wilfried Huismann warf darin der Umweltorganisation große Nähe zur Industrie vor, ein juristischer Streit zeichnete sich ab. Amazon verbannte das Buch, noch bevor die Richter die Vorwürfe beurteilten. Aber bedeutet das angesichts der Marktmacht von Amazon nicht, dass faktisch ein einzelner Konzern im Wesentlichen entscheidet, was gelesen wird?
Nein, tut Amazon meiner Meinung nach nicht. Was wir lesen oder nicht entscheiden noch immer wir. Wenn Amazon das Buch nicht anbietet, kauft man eben wo anders. Si d wir dazu zu faul, ist das unsere Schuld, nicht die von Amazon. Denn letztlich sind diese Unternehmen doch nur so stark, wie wir es zulassen. Der Kern des Problems ist nicht, dass diese Unternehmen tun, was sie tun. Der Kern des Problems ist, dass wir, die User, dennoch mitziehen. Dass wir es ihnen teils explizit, teils implizit erlauben.
Wir können die Entscheidungen einer auf vier Jahre gewählten Regierung nicht beeinflussen. Aber im Web können wir jeden Tag darüber entscheiden, ob wir unsere Daten von Facebook oder Google nutzen lassen. Wir können entscheiden, ob wir die Zensur von Apple tolerieren und ob wir Amazon unser Geld geben.
Wir sind frei, diese Entscheidung jeden Tag erneut zu treffen.
Nur – wenn wir es tun, dann sollten wir uns auch nicht hinstellen und anklagend die Finger heben.
Tun wir es, nutzen wir die Dienste, dann ist das unsere Entscheidung und die Verantwortung dafür nimmt uns niemand ab.Google, Apple, Facebook und Amazon machen uns unmoralische Angebote. Sie sind die Internet-Huren, die uns mit ihren Reizen locken. Ob wir die Freier sind, die für einen guten Fick mit Tripper oder Taschendiebstahl bezahlen, bleibt uns überlassen …