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Montag, 23. März 2015 / 16:11

Die Schattenseite des digitalen Lebens

Abgelegt unter Subjektives — von G. Arentzen

Das Internet ist in die Jahre gekommen. Und wie alles, was der Mensch mit besten Absichten schuf, erfüllte auch dieses Medium nicht im Ansatz die Hoffnungen, die man in es setzte.

 

Das Internet, so hieß es, würde Menschen zusammenführen. Es sei ein Ort, an dem jeder unzensiert und ohne Angst seine Meinung sagen könne. Eine globale Gemeinschaft, in der sich die Kulturen finden könnten. Eine Welt ohne Grenzen.

Davon ist heute kaum noch etwas übrig.

Kommunistische Länder wie China oder Nordkorea, aber auch moslemische Länder wie der Iran haben schon lange eine digitale Mauer um ihr Internet gezogen. Systematische Zensur hält von den Menschen hinter diesen Mauern fern, was für die Regierungen und Machthaber schädlich sein könnte.

Wer diese Mauern durchbricht oder es wagt, innerhalb der zensierten Grenzen kritische Beiträge zu veröffentlichen, muss mit schwersten Strafen rechnen. Lange Haftstrafen, Auspeitschungen oder auch die Todesstrafe drohen diesen Missetätern.

Und westliche Unternehmen wie Google oder auch Microsoft sind nur zu gerne bereit, den Wünschen und Forderungen dieser Länder nachzukommen. Schließlich warten auch dort Millionen auf jene, die brav nach den Regeln des Spiels spielen.

In den westlich-demokratischen Ländern ist dies (noch) nicht der Fall. Obwohl auch hier eine ständige Kontrolle durch staatliche Organe stattfindet. Natürlich nur zu unserem Schutz! Schließlich wollen wir doch nicht, dass böse Terroristen das Internet für ihre Pläne missbrauchen.

Also wird alles und jeder überwacht; George Orwell hätte es sich kaum düsterer ausmalen können.

Glauben Polizei und Geheimdienste schließlich, einen Terroristen ausgemacht zu haben, schlagen sie zu – ob es sich nun um einen Terroristen handelt, oder nicht. So wurde vor einigen Jahren ein Wissenschaftler verhaftet, weil er im Web den Begriff der Gentrification nachschlug. Dies reichte bereits, um ihn für einen „geistigen Brandstifter“ zu halten, für den Kopf einer radikalen Gruppe.

Dass er diese Informationen für seine Arbeit benötigte, spielte keine Rolle. Die staatlichen Spitzel sahen in ihm eine Bedrohung – also schlugen sie zu. Und zwar mit allem, was die Polizei zu bieten hat – vorgehaltene Waffen, Fixierung.

Abgespielt hat sich das alles hier, im beschaulichen Deutschland. Und dies nur, weil er einen Begriff im Web nachschlug. 

Ob das die Väter des Internets im Sinn hatten? In meiner Vision einer vernetzten Welt tauchte solch ein Szenario jedenfalls nie auf.
Der Traum von einer freien, vereinten Welt, er platzte aber nicht nur wegen politisch motivierter Überwachungswut.  

Er starb, als Firmen das Potenzial erkannten und begannen, in ihrer Gier nach Wachstum in den Weiten des Webs auf Beutezug zu gehen. Ihnen ist ein vereintes Web so sehr ein Dorn im Auge wie dem Politiker. Einzelne Märkte lassen sich schließlich deutlich besser melken als ein einziger, großer Markt. Und so werden die Schlagbäume an den Grenzen auch digital herabgelassen, wenn es um Filme, Spiele und Musik geht.

Was Amerikaner bei Netflix sehen dürfen, ist etwas anderes, als es Deutsche, Kanadier oder bald auch Australier zu sehen bekommen. Dank Geo-Blocking ist es möglich, auch im Web jeden innerhalb seiner Landesgrenzen einzusperren. So kann die Filmwirtschaft x-fach Lizenzen vergeben, statt es nur einmal zu können.
Die Interessen der User sind der Wirtschaft dabei völlig egal.

Mach Geld! Mach mehr Geld! Mach, das andere Geld machen!
Dieser Spruch von Ron Hubbard, Gründer von Scientology, ist das Maß aller Dinge in jedem Unternehmen. Dem Wachstum und der Befriedigung der Aktionäre wird alles untergeordnet – auch und vor allem die Freiheit des Internets.

Wäre nicht all das bereits ernüchternd genug, tragen auch die User dazu bei, dass sich das Internet mehr und mehr in eine einzige, große Jauchegrube verwandelt.

Bildung und Verhalten haben in den Weiten der Sozialen Netze keine Bedeutung, Respekt im Umgang mit anderen ist nur ein frommer Wunsch, nicht mehr.

Hohn und Spott dominieren; wer auch immer im realen Leben frustriert wurde, braucht nur Facebook aufzurufen, und schon kann er sich nach Herzenslust austoben. Ein Beitrag der Tagesschau, oder doch lieber jener von CHIP? Egal – ein hämischer Kommentar, eine abfällige Bemerkung, und schon geht es einem besser!

Der Chef hat einen in sein Büro zitiert und dort zur Schnecke gemacht? Also sucht man sich noch zwei, drei Beiträge, um sich ein wenig abzureagieren. Und wenn jemand widerspricht – umso besser. Dann kann man ihn nach Herzenslust beleidigen und beschimpfen.
Der andere ist viele Kilometer entfernt, man ist nur durch Tastatur und Monitor mit ihm verbunden.

Wobei dies kein Facebook-exklusives Verhalten ist. Man findet es in Foren, Chats und selbst in den Bewertungstexten der App Stores.

Es ist, als sei das Internet zu einem Platz für enthemmte, frustrierte Menschen geworden, ein Ort, an dem vermeintlich jede noch so widerliche Beleidigung erlaubt, jeder Angriff gerechtfertigt und jeder andere User nur ein Objekt ist, an dem man sich abreagieren kann.

Da man ohnehin den Themen, zu denen man sich äußert, kaum Aufmerksamkeit schenkt, sind viele Bemerkungen unpassend oder zeugen von einem Unverständnis dessen, was jene kleine Minderheit schreibt, die nicht auf das weithin herrschende RTL- und BILD-Niveau gesunken ist.

Als Beispiel mag jene kleine Anekdote dienen, die sich vor wenigen Tagen in einem Thread der ARD abspielte.

Es ging darum, dass sich die ARD die Impfgegner (vor allem bei Masern) als Objekt des Spotts ausgesucht hatte. Die Pharma-Industrie baut schon seit einer Weile Druck gegen diese Gegner auf, wie man erst in US-Beiträgen, nun auch in deutschen Medien verfolgen kann.

Wie dem auch sei – die Mehrheit der Kommentatoren blies in das gleiche Horn wie der Artikel. Vermutlich, weil er humorvoll gemacht war, und was humorvoll daher kommt, kann ja nur richtig sein. Oder?

Nun sehe ich als examinierter Krankenpfleger die Sache ein bisschen anders – wäre dies ein medizinisches Weblog, würde ich es an dieser Stelle auch ausführen, so aber lasse ich es – und schrieb in wenigen Sätzen darunter, was ich so denke. Daraufhin warf mir ein User vor, ich würde mir widersprechen.

Was ich nicht tat. Hätte er nur zehn Sekunden über meinen Text nachgedacht, wäre es ihm auch aufgefallen.

Dennoch stellte ich in einfachen Sätzen dar, dass ich mir nicht widerspreche; ich hoffte noch darauf, dass er zumindest diese Sätze begreift.

Er tat es nicht. Wieder hielt er mir vor, ich würde mir widersprechen. Zudem verdiene die Pharma-Industrie mehr an nicht-geimpften Menschen, sodass mein Argument, die Pharma-Industrie würde Druck aufbauen, nicht gälte.

Wie ich bereits schrieb, bin ich Krankenpfleger. Daher ist mir die Therapie bei Masern geläufig; abgesehen von ein oder zwei Paracetamol-Zäpfchen verdient die Industrie nichts an dieser Erkrankung.

Auch dies schrieb ich ihm. Daraufhin widersprach ich mir seiner Meinung nach noch immer (daran hatte ich mich gewöhnt) und nun würde ich auch noch die Pharma-Industrie mit der Krankenkasse verwechseln.

Dies zeigte mir zwei Dinge – er hatte nicht das geringste Interesse daran, sich mit mir ernsthaft über das Thema zu unterhalten, und ich verschwendete meine Zeit.

Also löschte ich meinen kompletten Kommentar.

Mir wurde klar, dass es hier um Zustimmung um der Zustimmung Willen ging. Nicht um Fakten. Nicht darum, etwas Neues zu erfahren.

Nein, es ging schlicht darum, mit den Wölfen zu heulen. Und dies ist der letzte Punkt, den ich aufführen möchte

Es geht in vielen Debatten, die online Geführt werden, bei vielen Beiträgen oder auch den allseits beleibten Shitstorms nur noch darum, sich selbst zu bestätigen. Und dies gelingt, indem man der Masse zustimmt. Denn dann erhält man Lob in Form von Likes, man wird zitiert und kann sich erhaben fühlen. Man schwimmt mit all den anderen im Strom, warm und behütet! Man wird gemocht! 

Ob die Masse Recht hat oder nicht, sagt einem Ende kein Licht, kein Lob, kein Like. Aber dies ist auch irrelevant. So lange man nur Zustimmung erntet.

Ich schätze, dass nicht wenige Menschen inzwischen ziemlich abhängig von eben diesem Lob sind. Dass sie nur auf diese Weise ihr Selbstwertgefühl aufbessern, sich ihre Bestätigung holen.

So stimmen sie zu, wenn die Masse zustimmt und lehnen ab, wenn es die Masse tut. Ohne nachzudenken, ohne sich mit dem Thema zu befassen. Reflexartig wird das Fähnchen in den Wind gehängt – und jeder beleidigt, angepöbelt oder verhöhnt, der anderer Meinung ist; ungeachtet allen Argumenten.

Ich komme zu dem Schluss, dass mir das Internet in dieser Form keinen Spaß mehr macht. Sicher, manches kann man mit den geeigneten Mitteln umgehen und natürlich habe ich Zugriff auf das US-Netflix. Was für ein Tech-Blog wäre dies, wenn es anders wäre?

Aber soziale Medien, Foren und all die anderen Plätze, an denen man das Negativ-Niveau der User sehen kann, haben ihren Reiz für mich verloren. Ich möchte mich nicht länger mit sinnlosen Videos und vermeintlich lustigen Witzen betäuben. Ich möchte nicht länger sehen, wie sich andere zum Narren machen und User in Schwärmen dem Wohlgefühl des Likes entgegenstreben, ohne auch nur im Ansatz über das nachgedacht zu haben, was sie da gut oder schlecht finden und kommentieren.

Vielleicht wird es irgendwann eine Alternative zum World Wide Web geben. Ein neuerlicher Anlauf, eine vereinte Welt in anderen Sphären zu schaffen.
Dort können wir den Traum erneut träumen – bis Wirtschaft, Politik und die Dummheit der Massen auch diese Illusion zerstören.   

Bild: Symbolfoto.
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