Dieser Papagei ist tot - odt
Vor einigen Jahren tobte ein Krieg der Formate. Auf der einen Seite die Guten – also jene, die das offene Open Document Format vertraten – auf der anderen Seite die Ewig-Bösen, also Microsoft und docx.
Was wurde nicht alles geschrieben über Standards, Zertifizierungen und angebliche Mogeleien seitens der dunklen Macht.
Nun zogen die Jahre dahin, Open Office spaltete sich und beide Formate lebten nebeneinander her.
Zeit, so dachte ich, mir odt – das für mich wichtige Format bei Textverarbeitungen – noch einmal anzusehen. Schließlich hatten die Programmierer Zeit, ihre jeweiligen Babys, also die Textverarbeitungen, an das neue Format anzupassen.
Ich nutzte meine Linux-Maschine (Linux Mint 18.2 mit Mate-Desktop und dem dort aktuellen Libre Office), um einen Text zu erstellen.
Abgesehen von den Absonderlichkeiten der freien Offuce Suite klappte das ganz gut! Ich verzichtete auf verschachtelte Formatierungen und nutzte nur, was ich als Autor ohnehin nutze. Ich zeichnete also Überschriften aus, änderte Absatzvorlagen und arbeitete mit Einrückungen; nichts Wildes.
Eigentlich, so dachte ich, sollte das jede Textverarbeitung identisch anzeigen. Schließlich ist .odt ja ein Standard.
Das Ergebnis war ernüchternd.
Das mit Libre Office erstellte Dokument sah sowohl in Word als auch in TextMaker 2016, Atlantis, einem OO-Klon auf dem Tablet und der KDE-Office Suite Calligra unterschiedlich aus. Mal waren es Kleinigkeiten, mal sah man den Unterschied deutlich.
Ein Glück, dass .odt ein Standard ist.
Im ausgehenden Jahre 2017!
Erstelle ich einen Text hingegen mit docx, sieht er in der Regel aus, wie ich ihn erstellt habe; sowohl in Atlantis als auch in TextMaker oder Word. Selbst Pages, nicht gerade für seinen tollen Funktionsumfang bekannt, öffnet und schreibt docx ohne Probleme. Nur Libre Office nicht, aber das ist wohl der schlichten Tatsache geschuldet, dass man dort keinen Bock auf docx hat. Denn wenn es SoftMaker mit TextMaker schaffen, eine kleine deutsche Softwareschmiede, und der Gigant Apple mit Pages, sollte es den Entwicklern von Libre Office eigentlich gelingen.
Aber okay, wer nicht will, der will eben nicht …
Jutoh, das patente Programm zum Erstellen von eBooks, schluckt am liebsten docx; dort ausgezeichnete Überschriften erkennt er sofort.
Als ich nun einmal Google befragte, wie hoch die Verbreitung von odf ist, erhielt ich kaum eine Antwort.
Sicher, Staaten setzen auf ODF, da dieses Format angeblich „nachhaltig“ und auch in einigen Jahrzehnten noch zu lesen sei.
Fragt sich nur, wie die Dokumente dann aussehen, wenn sie schon heute von Programm zu Programm variieren. Zumal es ziemlich paradox ist, zwar ODF zu verordnen, meist aber auf Microsoft Office zu setzen.
Wird ODF in großem Umfange bei Unternehmen genutzt?
Ich weiß es nicht, denn ich fand nichts dazu. Die Verlage, mit denen ich arbeite, würden sich jedenfalls bedanken, bekämen sie von mir ein Manuskript in diesem Format. Auch wenn Open Source-Enthusiasten nicht müde werden, ODF und Libre Office zu bewerben, und auch wenn man wieder und wieder vom Erfolg von Libre Office hört – sehen kann ich nicht!
Natürlich kommt heute jede Linux-Installation mit Libre Office und auch wir haben es unter Windows und Mac installiert; aber nutzen tue ich es so gut wie nie. Und wenn, dann speichere ich bestimmt nicht im ODF-Format!
Mehr und mehr fürchte ich, dass .odt das Schicksal des berühmten Papageien teilt.
Und jeder weiß … dieser Papagei ist tot! Er ist abgeritten zu seinen Ahnen! Er sieht die Radieschen von unten. Die Ewigen Jagdgründe haben ihn als Mitglied aufgenommen! Es steckt keine Spur von Leben in ihm! Das ist ein Ex-Papagei!
In diesem Sinne … ;-)