Exitus für Print
Vor nicht einmal einem Monat schrieb ich einen Leitartikel für geisterspiegel.de mit dem Titel Printmedien und das Internet.
Darin ging es auch um die Frage, wie sich Zeitschriften und Zeitungen in Zeiten des Webs positionieren und wie falsch der bislang eingeschlagene Weg aus meiner Sicht ist; auch im Hinblick auf das Leistungsschutzrecht.
Der Artikel erschien am 1. November 2012.
Am 13. November musste die Frankfurter Rundschau Insolvenz beantragen.
Damit wurde ein traditionsreiches Blatt von jenem Zug überrollt, der seit Jahren durch die Medienwelt braust – ohne dass die Verlage bislang tatsächlich in der Lage waren, aufzuspringen.
Dass zur gleichen Zeit der Jahreszeiten-Verlag die Einstellung von Prinz als Print-Magazin vermeldete, ist in diesem Zusammenhang weitaus mehr als eine Randnotiz. Denn auch dieses Stadt-Magazin, das über lokale Aktivitäten, Events etc. berichtete, wurde in Zeiten des Internets und vor allem in Zeiten von Smartphone schlicht überflüssig.
Das Web ist sehr viel aktueller, schneller und breitgefächerter als es die Prinz je sein konnte. Vor allem aber ist das Web auch social – Tipps zu Events oder Locations werden über Facebook und Twitter geteilt, Einladungen trudeln digital ein.
Dabei ist der Niedergang der Frankfurter Rundschau durchaus traurig, denn die links-liberale Zeitung galt durchaus als seriös.
Problematisch für DuMont ist letztlich, dass das Klientel einer solchen Zeitung geistig nicht 1990 stehengeblieben ist, sondern die technischen Möglichkeiten nutzt.
Zwar konnte sich die FR früh als Innovationsführer in Deutschland positionieren, denn sie brachten schon 2010 eine hochgelobte App in den Store. Kapital daraus konnte der Verlag jedoch letztlich keinen schlagen. Der große Aufwand für die App und deren Bestückung lohnte sich nicht und verschlang Gelder, die durch den Verkauf im Store nicht gedeckt werden konnten. Zu früh wurde ein zu großes Projekt gestartet und sofort zum Verkauf angeboten.
Doch so wollte man zu früh zu viel erreichen – das iPad kam immerhin erst 2010 auf den Markt, die potentiellen Kunden waren also noch gar nicht in entsprechend großem Maße vorhanden. Und jene Kunden, die es gab, holte man nicht mit einem leichten Einstieg ab, sondern hoffte sofort auf zahlungswilliges Klientel.
Schaut man sich heute im Web um, finden sich viele Erklärungen für das Aus der FR. Und nicht wenige zielen darauf, dem Blatt eine Sonderstellung zuzuschreiben, auf spezielle Besonderheiten hinzuweisen und damit die FR an den Rand zu drängen. So, als könne das Schicksal der Frankfurter Rundschau nicht jede andere Zeitung treffen.
Meediabeschreibt es ganz richtig:
Nachdem sich der erste Schock über die Pleite der Frankfurter Rundschau gelegt hat, ist die Zeitungsbranche eifrig damit beschäftigt, sich selbst Baldrian einzuflößen.
Um ehrlich zu sein – ich sehe die FR nicht in einer Sonderrolle. Im Gegenteil!
Wohin man in Deutschland auch schaut, sieht man das gleiche, traurige Bild. Kein Verlag hat bislang ein überzeugendes Modell vorgestellt, wie er in Zeiten von Social Media, Twitter und „Jedermann-Journalismus“ bestehen will.
Sie alle klammern sich vor allem an Alt-Hergebrachtes und das wird scheitern.
Es wachsen Generationen heran, die schlicht keine Zeitungen mehr brauchen. Dass viele Mitglieder dieser jungen Generationen zudem völlig desinteressiert sind und sich auch im Web keine Nachrichten anschauen, sei mal dahingestellt. Jene, die es sind, kaufen sich keine Tageszeitung, die sie am Frühstückstisch lesen. Sie haben ihre Smartphones und Tablets – und genießen häufig einen deutlichen Informationsvorsprung gegenüber jenen, die Zeitung lesen.
Das Modell der Tageszeitung hat in meinen Augen keine Zukunft. Das mag der Branche nicht gefallen, sie mögen sich mit aller Macht gegen diese Erkenntnis stemmen und sie mögen wimmern, klagen und politische Lösungen suchen. Am Ende aber wird das Medium verschwinden. So wie andere Dinge verschwunden sind, wenn neue Erfindungen die Menschen auf ihrem Weg in die Zukunft voranbrachten.
Wie selbstverständlich für manche die Verknüpfung zwischen Print-Zeitung und Qualitäts-Journalismus ist, zeigt der Kommentar zur FR-Insolvenz von FAZ-Herausgeber Werner D‘Inka. Er schreibt:
[…] So oder so sollte das ungewisse Schicksal der „Frankfurter Rundschau“ einer an die Gratismasche der digitalen Welt gewöhnten Gesellschaft Anlass zum Nachdenken darüber geben, was ihr unabhängige Zeitungen und eine Vielfalt der Stimmen wert sind.
Die Basislektion lautet: Gratismahlzeiten gibt es nicht. Wer für guten Journalismus nicht gutes Geld ausgeben will, liefert sich dem Kommerz und den Suchmaschinen aus, die gierig sind auf unsere Daten. Und wenn die letzte anständige Zeitung verschwunden ist, bleibt nur noch das Geschwätz.
„Anständige Zeitungen“ passen laut diesem Kommentar scheinbar nicht in die digitale Welt, denn dort herrscht eine Gratismasche vor, die gutem Journalismus zuwider läuft.
Das ist in meinen Augen völliger Blödsinn. Dieses oft beschriene Gratis-Kultur existiert in gewissem Maße. Gleichzeitig sind User aber durchaus bereit, für guten Content zu zahlen.
Das Problem ist jedoch, dass es diesen guten Content so gut wie nicht gibt. Sicherlich, die teure FR-App rechnete sich nicht. Das liegt aber vor allem daran, dass sie viel zu früh kam und sich die User noch nicht an eine neue Geräte-Generation gewöhnt hatten.
Und sonst? Welche guten Apps. oder kostenpflichtigen Webseiten mit entsprechendem Content gibt es denn?
Es ist nicht damit getan, eine Zeitung auf das iPad zu bringen; am einfachsten noch als ePaper oder – schlimmer – als PDF. Damit lockt man niemandem hinter dem Ofen hervor.
Viel eher ist es wohl so, dass das gesamte Konzept statischer Nachrichten ausgedient hat. Ich will nicht wissen, wie viele Opfer ein Großbrand in München zum Redaktionsschluss gezeitigt hatte, sondern ich will ich den Stand in jenem Moment wissen, in dem ich die App starte. Zeitungen stehen für veraltete Nachrichten. Suchmaschinen, von D‘Inka kritisiert, liefern mir aktuelle Informationen; News, die tatsächlich neu sind. Das verlangt sowohl von Journalisten als auch von Redaktionen ein völlig anderes vorgehen. Zumal neben diesen tatsächlichen News zahlende User auch tiefergehende, gut recherchierte Hintergründe erfahren wollen; multimedial aufbereitet. Nur diese Kombination kann erfolgreich sein; und bislang finde ich das bei keinem ernsthaften Anbieter.
Viel eher finde ich bizarre Hürden, die mich am Sachverstand der Verantwortlichen zweifeln lassen.
Ein Beispiel: Wenn ich schon bereit bin, mir die aktuelle Ausgabe des SPIEGEL auf das iPad zu laden – und diese Ausgabe ohne all die Möglichkeiten, die das Medium eigentlich nutzen könnte, daherkommt, mich dann aber mit meinen Daten bei der Redaktion registrieren soll, statt den Kauf wie vorgesehen über iTunes abzuwickeln, dann verliere ich das Interesse an der App. Andere Magazine sind simple PDF-Umsetzungen ohne Mehrwert, lieblos auf das iPad gebracht. Wer bitte soll dafür zahlen? Und dies in Zeiten, in denen User aufgrund veralteter Informationen nicht einmal die Titel am Kiosk kaufen? Die Branche beklagt sich über Suchmaschinen und eine angenommene Gratis-Kultur, ohne jedoch dem User die Chance zu geben, ein modernes, informatives Angebot zu erwerben.
So lange die Verlage nicht begreifen, dass völlig neue Konzepte im Umgang mit Nachrichten gefragt sind, so lange sie glauben, mit Wimmern und dem Ruf nach dubiosen Gesetzen ihrem eigenen Exitus entgehen zu können, so lange wird sich nichts ändern. Mal sehen, in wie vielen Wochen oder Monaten über die nächste dahingeschiedene Zeitung zu berichten ist …