Ist freie Software Office-tauglich?
Diese Frage muss man sich stellen, liest man die jüngsten Artikel zu Limux. Offenbar plant München eine Rückkehr zu Microsoft, denn Linux habe zu große Probleme bereitet. Nicht nur, dass die Arbeit mit Libre Office nicht so einfach wäre. Nein, auch das Einbinden von externen Geräten wie Smartphones verzögert sich aufgrund von Linux enorm. So musste ein Mitarbeiter einen Monat auf sein Smartphone warten, weil die Admins Probleme hatten, es in die Linux-Infrastruktur einzubinden.
Ist also freie Software selbst in einer angepassten Version untauglich, um im harten Alltag einer Verwaltung zu bestehen?
Ja!
Wer jemals versucht hat, produktiv mit Libre Office zu arbeiten, dürfte einige Haare weniger auf dem Kopf haben, als noch zuvor.
Zum einen ist Libre Office träge und schwerfällig. Selbst wenn man es mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln auf Geschwindigkeit trimmt, bleibt es noch immer schwerfällig.
Hinzu kommt, dass sich das Arbeiten mit dieser Suite teils von dem anderer Programme unterscheidet. Tools wie der Navigator sucht man zum Beispiel bei Word vergebens. Auch war es lange Zeit äußerst kompliziert, Texte mit Kommentaren mit Anwendern von Microsoft Office auszutauschen; wie es inzwischen ist, vermag ich nicht zu sagen, denn ich habe es schon eine Weile nicht mehr genutzt.
Meine letzte Quest, zu der ich mit Libre Office als Waffe aufbrach, war das Erstellen eines Dokuments mit verschiedenen Formatierungen, Text- und Grafikboxen sowie mehreren Schriftarten.
Nach etwa einer Stunde wurde ich gefragt, warum in aller Welt ich so gotteslästerlich am Fluchen sei! Grund war, dass Libre Office offenbar ein Problem mit den diversen Formatierungen und Boxen hatte, sie ein wenig verschob, wenn ich es nicht wollte und das Dokument nie so aussah, wie es aussehen sollte.
Es war mein letzter Versuch, mit Libre Office produktiv zu arbeiten!
Ein Umstieg auf freie Software lässt natürlich den Einsatz des sehr viel besseren Softmaker Office oder auch dessen kostenloser Variante Free Office nicht zu, denn letztere Software ist zwar frei von Kosten, aber keine freie Software im Bezug auf Open Source.
Eine Alternative im freien Bereich wäre vielleicht WPS Office, ehemals Kingsoft. Deren Linux-Variante scheint ein offenes Community-Projekt zu sein.
Ansonsten bliebe noch die Office-Suite von KDE namens Calligra, aber diese ist noch schlechter als Libre Office. Als ich das letzte Mal einen Blick auf Calligra warf, konnte ich nicht einmal deutsche Anführungszeichen als Standard definieren, sondern hätte mit Sonderzeichen arbeiten müssen.
Noch finsterer sieht es aus, möchte man ein Smartphone mit Linux synchronisieren. Einige Distributionen erkennen nicht einmal ein Android-Gerät, ohne das spezielle Treiber installiert werden. Ein iPhone vernünftig zu nutzen, ist nahezu unmöglich, denn es gibt iTunes nicht für Linux und alle anderen Varianten sind höchst fragil, sofern man sie überhaupt nutzen kann. Lediglich auf die Photos hat man Zugriff!
Windows Phone, mein bevorzugtes System, lässt sich immerhin als Datenspeicher in Linux einhängen, sodass man auf die Ordner Zugriff hat. Eine Synchronisation mit dem PC sieht das System kaum vor, auch wenn man es unter Windows kann. Die Philosophie setzt jedoch eher auf OneDrive und Microsofts Outlook (ehemals Hotmail). Und hier wird es schwierig, denn eine Synchronisation von Kalendern ist über Thunderbird und dessen Kalender-Modul Lightning nicht möglich.
Auch gibt es keinen Client für OneDrive unter Linux, ebenso wenig übrigens wie für iCloud.
Nun mag man zwar mit ausgestrecktem Finger auf Apple und Microsoft zeigen, das ändert aber nichts an der Realität.
Also könnte man Googles Dienste nutzen, aber diese sind fragwürdig im Bezug auf Datenschutz. Eine eigene Lösung, die eigens für ein System wie München programmiert wird, bindet die User an ein System, vermutlich Android, denn es ist noch das offenste. Aber Android hat seine ganz eigenen Schwächen und Probleme. Allein schon die Tatsache, dass es unzählige Varianten gibt und jeder Handy-Hersteller sein Süppchen kochen darf, macht eine einheitliche Anbindung schwer.
Besser wäre es, man könnte auf ein alternatives System setzen, aber Firefox hat sein OS nur auf Einsteiger-Geräten installiert, Ubuntu kommt mit seinem Linux-Handy erst gar nicht in Fahrt.
Die Realität sieht aber eben so aus, dass Mitarbeiter nicht nur einen PC haben, an dem sie arbeiten, sondern auch mobile Geräte. Und diese lassen sich kaum mit Linux nutzen.
Somit bereiten zwei zentrale Anwendungsbereiche Probleme, will man eine Verwaltung oder auch ein Office auf Linux umstellen.
Mit einer großen IT und entsprechenden Experten mag es sein, dass man Speziallösungen schafft. Aber die Kosten hierfür und auch jene für die entsprechende Einarbeitung dürften im Laufe der Zeit die Ersparnisse für Lizenzen von Microsoft auffressen.
Wahrscheinlich wird München daher den Wechsel rückgängig machen - und es nicht bereuen. Hätten andere Städte mitgezogen, wäre die Nachfrage nach Lösungen für Linux dagewesen und hätte Linux weiter den Aufschwung erlebt, den es vor einigen Jahren erlebte, sähe es heute anders aus. Aber so komme auch ich zu dem Schluss, dass dieses Experiment keine Chance hat. Die Linux-Insel München kann im weiten Microsoft-Ozean nicht überleben, wenn nicht andere Inseln auftauchen und sie unterstützen.
Nur - wo sollen diese Inseln herkommen, wenn München seine Probleme nicht in den Griff bekommt?