Kindle Fire - Und die Fachpresse verfällt in extatische Zuckungen
Amazon hat seinen Tablet-PC vorgestellt: Der Kindle Fire ist angetreten, die Welt der Tablets auf den Kopf zu stellen.
Zumindest könnte man diesen Eindruck gewinnen, schaut man sich dieser Tage die Fachpresse an. Da ist schnell vom iPad-Killer und iPad-Konkurent die Rede.
Dabei kann ich diese Euphorie nicht teilen. Technisch gesehen hinkt es anderen Tablets weit hinterher. Allein der Speicher von nur 8 GB, der sich offenbar nicht erweitern lässt, wird den meisten Usern kaum reichen. Und auch sonst bietet das Gerät nichts, was es nicht wo anders besser gäbe.
Aber, so versichern uns die Blätter eifrig, kommt es nicht auf die Technik an, sondern auf den Content. Und dieser wird komplett von Amazon angeliefert. Denn tatsächlich ging es Amazon allein darum - den eigenen Content auf ein Tablet zu bringen. Filme, Bücher, Musik - und auch Magazine und Zeitschriften in Zusammenarbeit mit großen Verlagen.
Nun kann man natürlich sagen, dass es tatsächlich allein auf den Content ankommt, denn damit punktet Apple seit Jahren. Und schon sind die deutschen Verleger-Verbände am jubilieren; das Ende von Apples Vorherrschaft sei gekommen, man begrüße das Fire.
Dass dieses Tablet für Deutschland noch nicht einmal angekündigt ist und keiner weiß, wie denn die Bedingungen für deutsche Verlage sein wird, ist da egal - Hauptsache, man jubelt recht früh. Vielleicht kommt ja ein bisschen Speichellecken ganz gut, dann lässt ich Amazon gnädig stimmen. Möglich auch, dass hier der Grund für die Jubelchöre zu finden ist.
Den Amazon will tatsächlich genau so vorgehen wie Apple - sie bieten Amazon-Content an und sperren sogar den Android Market - nur der eigene App-Store ist zugelassen.
Dass sich Amazon Zeitungen und Zeitschriften nicht gut bezahlen lassen wird, wage ich zu bezweifeln. Ob es wie bei Apple 30 Prozent sind, oder weniger, werden wir sehen. Letztlich aber soll Geld fließen, damit es sich lohnt. Schon jetzt heißt es, dass Amazon bei jedem verkauften Gerät drauflegt - dieses Geld muss durch Content reingeholt werden.
Wie abgeschlossen Amazon die Sache sieht, zeigt sich auch daran, dass User zwar nur 8 GB Speicher haben, dafür aber Inhalte in die Amazon-Clous auslagern können - ohne Aufpreis. Das ist nicht nur teuer für Amazon, so dass auch hier das Geld irgendwo herkommen muss, es ist auch unpraktisch. Ständig Daten aus der Cloud zu holen, weil das eigene Gerät zu wenig Speicher bietet, ist unvorteilhaft. Bedenkt man, dass eine Ausgabe der Computerbild Spiele schon etwa 700 MB auf die Waage bringt, sieht man, wie oft man auf die Cloud ausweichen muss. Und was macht man unterwegs, etwa in der Straßenbahn? Ohne W-Lan kein Zugriff auf den Content.
Der letzte Punkt, den sich die Verleger in Deutschland sehr gut anschauen sollten, sind die Endkunden. Die Verlage wimmern, weil ihre Leser nicht auch ihre Kunden sind, sondern Kunden von Apple - und sie keinen Zugriff auf die Kundendaten haben.
Wozu auch? Ich will nicht, dass jeder Verlag, dessen Magazin ich lese, meine Daten hat. Es landet schon genug Werbemüll im Briefkasten. Schließlich gebe ich meine Daten auch nicht im Real an, wenn ich dort Magazine kaufe. Und ein Drei-Monats-Abo über iTunes ist bequem, auch hier muss der Verleger nicht wissen, wer ich bin.
Wollen also Kunden, dass die Verlage wieder Zugriff auf die Daten haben? Ich denke, nein. Denn gerade das Unverbindliche ist es, was viele Leute auf dem iPad zu digitalen Magazinen greifen lässt.
Tatsächlich hat sich Springer vor gar nicht allzu langer Zeit sehr positiv über den Effekt ausgelassen, den Magazine auf dem iPad haben. Ob Amazon diesen Effekt vorantreibt oder - wenn die Verlage wieder mit ins Spiel kommen - gerade im Bezug auf Abos abschreckend wirkt, werden wir sehen.
ich jedenfalls kann keinen iPad-Konkurrenten ausmachen; auch nicht im Bereich Content. Denn der braucht Platz und Videos, Musik und Magazine füllen 8 GB im Handumdrehen. Die Cloud taugt nicht zum Allheilmittel. Ich bin schon gespannt auf das Geschrei, wenn die Server von Amazon aus irgend einem Grund nicht erreichbar sind - und Kunden nicht an ihren Content kommen. Das wird ein Spaß …