Linux: Gestern – Heute – Morgen!
Hinweis: Dieser Artikel spiegelt allein meine Sichtweise und meine Meinung wider. Es ist eine persönliche Betrachtung, kein wissenschaftlicher Aufsatz zu diesem Thema! Ich freue mich jedoch über Kommentare, Sichtweisen, Einsprüche und Zustimmung :-)
Ich erinnere mich an einen Leserbrief in einem Magazin für Computerspiele irgendwann zu Beginn der 1990er Jahre. Darin schrieb ein Leser, er habe von einem neuen Spiel namens Linux gehört, könne aber keine weiteren Informationen dazu finden. Seines Wissens nach sei es eine Simulation, aber stimme das? Und wenn ja - wo könne man es kaufen und wie solle man es besten installieren? Oder war es am Ende noch gar nicht auf dem Markt?
Zum Glück konnten ihm die Redakteure seine Fragen beantworten, sodass der unwissende User nicht sein MS DOS durch Linux ersetzte.
Linux, das war damals etwas für Studenten. Jenseits der Entwicklung konnte man kaum damit arbeiten, für den Desktop-Anwender war es völlig ungeeignet und auch das Web spielte kaum eine Rolle.
Ich ignorierte Linux damals und kam erst damit in Kontakt, als meine Frau begann, damit zu arbeiten. Es war die Zeit, in der Microsoft als moderner Antichrist gehandelt wurde und es nur noch eine Frage der Zeit schien, wann Bill Gates die Weltherrschaft übernehmen und das Armageddon auslösen würde.
Anders als ich wollte meine Frau weg von Windows und setzte in der Folge auf Linux – etwas, das sich erst mit unserem Umstieg auf Apple änderte.
Ich selbst begann, mich für Linux als Nebenprojekt zu interessieren. Vor allem SuSE schien mir eine gute Alternative, wollte man Windows den Rücken kehren. Es war einfach zu bedienen, Multimedia ließ sich relativ simpel einbinden und es bot mit KDE einen gewohnten Umgang mit den Programmen.
Zu dieser Zeit lernte ich auch, dass die Gemeinschaft der Linux-User ein elitäres Klübchen sind, die nur ungern einfache Anwender in ihren erlesenen Kreis einlassen. Fragen wurden – wenn überhaupt – herablassend beantwortet, was nicht mit freier Software ging, hatte man bitteschön zu unterlassen und SuSE war ohnehin kein echtes Linux. Wenn schon, dann bitte Debian und so rein als möglich. Das erlebten wir, als wir einen Linux-Tag in Landau besuchten und ich zaghaft nach SuSE fragte – sie hätten mich fast des Gebäudes verwiesen!
Mir wurde klar, dass die Linux-Gemeinde dieser Zeit gar kein Interesse daran hatte, Windows-User zum Übertritt zu motivieren. Im Gegenteil; sie taten alles, um genau das zu verhindern.
Eines Tages betrat Ubuntu die Bühne, und plötzlich schien es, als sei für Linux ein goldenes Zeitalter angebrochen.
Mit der neuen Philosophie, die hinter Ubuntu steckte, konnten sich sehr viel mehr User identifizieren. Vor allem aber wurden Umsteiger von der Ubuntu-Gemeinde nicht wie räudige Köter behandelt, denen man im besten Fall einen Knochen hinwarf, sie jedoch bevorzugt mit Tritten davonjagte.
Ubuntu, das war ein Linux für den Alltag. Damit konnte man seine Büroarbeit erledigen, im Web surfen und seine Multimedia-Inhalte genießen. Bei Problemen gab es rasch Hilfe, die Updates kamen im Halbjahres-Rhythmus und selbst auf älterer Hardware funktionierte dieses Linux klaglos.
Die Sonne war am Horizont aufgegangen, Linux schien die Zukunft zu gehören.
Leider kam es anders.
Statt, wie von vielen erhofft, mit Macht gegen Microsoft ins Werbefeld zu ziehen, zog sich Ubuntu ein wenig zurück und versäumle es völlig, von Microsofts Vista-Pleite zu profitieren. Und das, obwohl Ubuntu eine stabile, erprobte und einfache Alternative am Start hatte. Doch man begnügte sich mit der Zuschauerrolle.
Auch als München von Microsoft zu Linux wechselte, hatte dies kaum einen Effekt auf andere Städten und Gemeinden. Dabei hätte dies die Initialzündung sein können, die einen Flächenbrand auslöst.
Er blieb aus.
Völlig in den Sand setzte es Ubuntu schließlich mit dem Wechsel zu Unity. Plötzlich mussten sich selbst gestandene Linux-Anwender an eine völlig neue Oberfläche gewöhnen. Als Microsoft mit Windows 8 seine User erschreckte, hatte Ubuntu nichts mehr im Lager, um hier Nutzer zu einem bekannten, einfachen Betriebssystem zu locken. Im Gegenteil – Unity ist noch ungewohnter.
Meiner Meinung nach war dies der größte Fehler, den Ubuntu je begangen hat; und sie haben bereits Federn lassen müssen. Führte Ubuntu viele Jahre die Liste der nachgefragten Linux-Distributionen auf Distro-Watch an, so ist dies schon seit einigen Jahren nicht mehr der Fall.
Dem entsprechend hatte Ubuntu auch nichts mehr auf der Hand, um von dem Aus von Windows XP zu profitieren.
Mich persönlich ärgert dies, denn Ubuntu hätte die Ressourcen, etwas zu bewegen. Sie hätten aus mehreren Ereignissen der jüngeren Windows-Geschichte Kapital schlagen können, verbauten es sich aber selbst durch ihre Aufgabe bekannter Desktop-Konzepte.
Linux Mint, das bekanntlich auf Ubuntu aufsetzt, jedoch mit Mate und Cinnamon eben diese Desktops anbietet, ist im Moment die beliebteste Distribution laut Distro-Watch, hat aber keine Ressourcen, um die Welt von den Vorteilen ihres Linux zu überzeugen.
Dabei bietet Mint all das, was sich jeder Windows-User wünscht.
- Es läuft stabil auch auf älterer und schwacher Hardware
- Nach der Installation laufen sofort alle Multimedia-Inhalte. Selbst das Flash-Plugin für Browser ist bereits integriert.
- Mit Firefox, Thunderbird und Libre Office sind Programme enthalten, mit denen man sofort arbeiten, im Web surfen und kommunizieren kann.
- Die Installation ist einfach und dauert lediglich etwa 20 Minuten.
- Es ist kostenlos.
- Updates sind einfach und kommen meist ohne Neustart aus.
- Treiber für Grafikkarten lassen sich mit einem Klick installieren.
All das spricht für den Wechsel zu Mint, sofern man seinen Rechner zur Arbeit und zum Surfen nutzt. Gerade das Aus von XP und der damit erzwungene Wechsel zu einem neuen System hätte Mint unzählige User bescheren können. Aber die kleine Distribution hat keine Ressourcen, um dies entsprechend zu bewerben.
Was blieb, waren IT-Unternehmen, die von ihren Kunden um Rat gebeten wurden.
Hier in diesem Blog erschien eine Serie, die den Umstieg beschrieb. Auch rieten wir all jenen Kunden, die dafür in Frage kamen, von XP zu Mint zu wechseln. Die Installation und eine Einführung rundeten die Beratungen ab.
Ich glaube auch heute, da ich diesen Artikel schreibe, dass Mint das Linux für Office- und Home-Office-Anwender ist.
Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Dampf aus Linux raus ist. Heute spricht man sehr viel weniger darüber als noch vor einigen Jahren. Ubuntu macht inzwischen Schlagzeilen mit einem Richtungsstreit in den eigenen Reihen oder seinem halbgaren Ausflug in die mobile Welt. Kaum noch wird Linux als Alternative ernsthaft in den Fachmedien diskutiert. Linux hat sich wieder in seine Nische zurückgezogen.
Das wird all jenen gefallen, die Linux stets dort sahen und noch heute jeden Umsteiger verjagen. Es ärgert jedoch diejenigen, die Linux auf dem Vormarsch sehen wollen.
Ein einziger Hoffnungsschimmer bleibt– und das ist Valve.
Jeder User, der Computerspiele spielt, kennt Valves Plattform Steam. Und ausgerechnet dort macht man sich Gedanken über die Zukunft der Spiele, und sie kommt laut Valve ohne Windows aus, arbeitet man doch an einem eigenen Betriebssystem.
Und dessen Basis ist Linux.
Schon jetzt laufen etliche Spiele auch unter Linux, in Zukunft werden es sehr viel mehr werden. Vielleicht arbeitet man auch intern mit WINE, um alle Spiele unter SteamOS lauffähig zu machen; das wird sich zeigen.
Hier jedenfalls sehe ich die im Moment letzte Chance, Linux doch noch in das Bewusstsein der Massen zu rücken.
Im Heimbereich profitiert Windows massiv von den Spielern, denn die meisten PC-Spiele laufen eben auf Windows. Ändert sich das, ändert sich die Präferenz der User, und sie packen SteamOS auf ihre Rechner.
Hoffen wir nur, dass Valve die Kraft hat, sich gegen das bisherige System aufzulehnen. Verpufft auch dieser Versuch, Linux zum Durchbruch zu verhelfen, bleibt es am Ende ein System für Enthusiasten. Und das wäre gerade im Hinblick auf so großartige Distributionen wie Mint wahrlich schade!
Hinweis: Grafik von linuxmint.com