Schmarotzer?
Sind Sie ein Schmarotzer? Ja, Sie, der Sie diesen Artikel lesen?
Nein?
Vielleicht doch! Auch wenn Sie es gar nicht wollen und wissen. Dann nämlich, wenn Sie das Angebot eines Webhosters angenommen und eine Domain für ein paar Cent im Monat gemietet haben!
Glauben Sie mir nicht? Ist aber so – zumindest, wenn es nach Herrn D. geht. Der schrieb einen Leserbrief an die c’t, der in der aktuellen Ausgabe abgedruckt wurde. Und dort wirft er all jenen vor, die ein solches Angebot nutzen, Schmarotzer zu sein und auf Kosten der anderen User zu leben. Zumindest Internet-technisch.
Schließlich kann ein solches Angebot nicht kostendeckend für das jeweilige Unternehmen sein! Dass man es dennoch nutzt, macht einen zum Schmarotzer!
Wörtlicht dort zu lesen!
Schon seltsam! In der Welt von Herrn D. muss sich der Kunde also überlegen, ob das Angebot eines Anbieters kostendeckend sein könnte. Und wenn nicht, dann darf man es nicht nutzen! Sonst lebt man schließlich auf Kosten anderer!
Natürlich habe ich mir den Brief von Herrn D. zu Herzen genommen! Gleich heute morgen, als ich beim Metzger war. Da gab es Würstchen im Sonderangebot; das Stück zu 35 Cent.
Habe ich nicht genommen! Schließlich kann das nicht kostendeckend sein und keinesfalls möchte ich auf Kosten anderer mein Würstchen verzehren. Stattdessen habe ich eine ältere Dame bespuckt, die gleich zehn dieser Würstchen gekauft hat. Pfui, wie kann sie nur?
Nach einer etwa zehnminütigen Belehrung sah sie ihre Schuld ein, stornierte die Würstchen, wischte sich meine Spuke vom Mantel und verließ verwirrt und gänzlich ohne Einkauf den Laden.
Gut so! Besser, als habe sie den Metzger ruiniert!
Mit dem erhabenen Gefühl, den Metzger gerettet zu haben, begab ich mich also zum Bäcker (Kaiserbrötchen zu 10 Cent) – pfui, pfui, und pfui, wie ich einer Mutter von Zwillingen nach dem obligatorischen Anspucken erklärte.
Und auch im Supermarkt (Milchreis für 19 Cent) wurde ich aktiv – erst bespucken, dann belehren.
Dreimal konnte ich meine Mission erfüllen, ehe mich der Manager an die frische Luft setzte. Pft, soll er halt untergehen!
Was bleibt zu sagen?
Danke, Herr D! Sie haben mir die Augen geöffnet! Ich werde meinem Schmarotzertum entsagen und jedes Angebot genau hinterfragen, ehe ich es annehme. Keiner wird mehr darüber klagen müssen, dass ich auf seine Kosten lebe. Ein Hoch auf die Gelehrten und Gebildeten, die uns in Leserbriefen erleuchten. Auf ihren Pfaden werde ich wandeln!
Sollten Sie also demnächst einen spukenden, philosophierenden Typen sehen, der anderen jedes Angebot madigmacht – das bin ich! Kommen Sie näher, plaudern Sie mit mir – ich habe für jeden etwas Speichel übrig!